Grundsatz ist Grundsatz

Da hat der gute Mann den Nagel auf den Kopf getroffen. Denn an den „palästinensischen Grundsätzen“ rüttelt die Hamas tatsächlich nicht: Bei dem Treffen in Mekka vor einem Monat etwa betonte sie nochmals, Israel selbstverständlich nicht anzuerkennen; man wolle die Vereinbarungen mit dem jüdischen Staat lediglich „respektieren“. Eine taktische Aussage ohne eigene Konsequenzen, denn man hofft, auf diese Art und Weise ein Ende des Zahlungsboykotts durch Israel, die USA und die EU bewirken und so die Staatseinnahmen erhöhen zu können. Dummerweise wird just am Finanzgebaren der Palästinensischen Autonomiebehörde aber deren Grundsatztreue erneut deutlich: Das Prinzip nämlich, Steuereinnahmen und Zuwendungen ohne jede Kontrollmöglichkeit versickern zu lassen, gleichzeitig aber den Bankrott auszurufen und mit einer Hungerkatastrophe zu drohen, gilt – wen wundert’s? – natürlich auch unter einer Regierung, an der die Hamas beteiligt ist. Denn deren Anti-Korruptions-Wahlkampf – dem man auch hierzulande mit einer gewissen Hochachtung begegnete, schließlich schätzt man es, wenn jemand ankündigt, die Dinge um ihrer selbst willen zu tun – war vor allem ein Volksgemeinschaftsversprechen, das ein repressives Suppenküchen-Wohlfahrtsmodell mit einer weiteren Militarisierung der Gesellschaft und dem Ausbau des Krieges gegen Israel verbindet. Zuwendungen veruntreuen kann die Hamas selbstverständlich mindestens genauso gut wie die Konkurrenz von der Fatah.
Die Palästinenser haben jedenfalls keine Finanzkrise; vielmehr sind sie pro Kopf sogar die größten Empfänger ausländischer Hilfe weltweit, und seit der Wahl der Hamas in die Regierung stieg die finanzielle Unterstützung sogar noch an. Gleichzeitig ist das Wehklagen über Not und Armut gar groß. Dass das ein Widerspruch ist, fiel nun sogar dem designierten Finanzminister der neu zu bildenden palästinensischen Einheitsregierung auf. Salam Fayyad (54), Doktor der Ökonomie, von 1987 bis 1995 bei der Weltbank und zudem tätig für die US Federal Reserve Bank, bestätigte darüber hinaus, es gebe keinerlei Gewähr, dass finanzielle Hilfen auch für den beabsichtigten Zweck verwendet werden. „Bitte schreiben Sie: Niemand kann den Geldgebern diese Sicherheit zusagen. Warum? Weil das System im Stadium des totalen Verfalls ist”, sagte er in Ramallah. Das ganze Ausmaß des Schadens könne er erst nach seinem Amtsantritt beziffern; es werde aber auch danach noch Wochen dauern, bis er sich einen Überblick verschafft habe, und sogar mehrere Monate, bis die mittlerweile inflationären Lohnabrechnungen beglichen seien. Die Zuwendungen von außen seien offenbar unbeobachtet und unkontrolliert von staatlichen Autoritäten weit verstreut worden, stellte Fayyad fest.

Wie er diese durchgreifenden Maßnahmen konkret bewerkstelligen will, sagte Salam Fayyad nicht, und an ihrem Vollzug darf nicht nur deshalb füglich gezweifelt werden. Denn zum einen hat es der neue alte Finanzminister schon in seiner ersten Amtsperiode nicht vermocht, die Geschäfte der Palästinensischen Autonomiebehörde zu ordnen und illegale Geldtransfers zu stoppen. Zum anderen ist er mitverantwortlich dafür, dass eine kürzlich erfolgte Zahlung Israels in Höhe von 100 Millionen Dollar nicht für die im beidseitigen Einvernehmen beschlossenen Zwecke eingesetzt wurde: Von dem Geld – eingefrorenen Zoll- und Steuereinnahmen – sollten 86 Millionen Dollar den Präsident Mahmud Abbas unterstellten Sicherheitskräften zukommen; der Rest war für vorab definierte humanitäre Zwecke vorgesehen. Das stand zumindest in der von Fayyad in seiner Eigenschaft als Berater des palästinensischen Präsidenten unterzeichneten Verpflichtung, die der israelische Premierminister Ehud Olmert erhielt. Doch einige Tage nach der Überweisung verschwand der Betrag vom Konto; mit ihm erledigte die palästinensische Regierung offenbar vor allem Gehaltszahlungen und tilgte Schulden, was einen Verstoß gegen die internationale Wirtschaftsblockade darstellt. Israel sprach daraufhin von „Unterschlagung“ und einem „Vertrauensbruch“ und stoppte weitere Transfers an Mahmud Abbas bis auf weiteres.
Wie es aussieht, hat Al-Qaida also Unrecht. Denn die Hamas hält weiterhin stramm Kurs. Und ist den „palästinensischen Grundsätzen“ verbunden wie eh und je. Das ist doch mal eine gute Nachricht – wenigstens für Osama bin Laden, noch dazu anlässlich seines fünfzigsten Geburtstags. Und wer würde ihm da die Partylaune verderben wollen, noch dazu grundsätzlich?
Hattips: barbarashm, Brigitte